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19.08.20 –
Stadtratsfraktion B90/Die Grünen macht sich Gedanken, wie man Flächenbedarf und Bauvorhaben steuern kann
Waldkirchen. Acht Wohnhäuser auf einer bisher grünen Wiese am Karoli: Das hat der Stadtrat jüngst mehrheitlich entschieden (PNP berichtete). Nicht nur im Gremium, auch in der Bürgerschaft gibt es dazu unterschiedliche Meinungen, die auch in Leserbriefen geäußert wurden.
Warum sie ausgerechnet als „Grüne“ Stadträte für die Ausweisung dieser Fläche als Baugebiet gestimmt haben, das wollen Ulrike Bogner und Hubert Holzbauer angesichts der aufgekommenen Kritik nun näher erläutern und nehmen als Stadträte für Bündnis 90/Die Grünen dazu Stellung.
„Entscheidungen der vergangenen Legislaturperiode führen genau zu den Problemen, vor denen die Stadt nun steht“, meint Stadtrat und Umweltbeauftragter Hubert Holzbauer. „Auf der einen Seite stehen viele junge Familien, die dringend einen Bauplatz brauchen. Auf der anderen Seite gibt es noch unbebaute Bauplätze in den vorhandenen Baugebieten, die entweder von Immobilienfirmen gehalten oder als private Kapitalanlage genutzt werden.“
Viele Waldkirchner fänden die neuen Baugebiete zudem wenig ästhetisch. Dies liege hauptsächlich daran, dass man sich nicht an Vorgaben hält: „So sind Schottergärten eigentlich untersagt, Begrünungen sind vorzunehmen und Flächen nicht unnötig zu versiegeln.“ Auch im Bebauungsplan könne man dies bereits als Vorgabe festlegen.
„Neubau ja, aber verträgliches Maß“
„Im Hinblick auf den demografischen Wandel und die bestehende Infrastruktur der Stadt, die nun mal auf 10000 plus Einwohner ausgelegt ist, sollten wir den Neubau grundsätzlich zulassen, aber auf ein verträgliches Maß beschränken. Wir wollen jungen Familien die Möglichkeit bieten, hier heimisch zu bleiben oder zu werden. Dabei dürfen wir aber die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen“, sind sich Ulrike Bogner und Hubert Holzbauer einig.
Bereits in den Vorgesprächen zum Baugebiet haben sich die Grünen und Fraktionspartner SPD und ÖDP daher bei der Stadt für einen Bauzwang und ein Rückkaufsrecht der Stadt zum Ausgangspreis starkgemacht, wenn die Grundstücke nicht binnen drei Jahren bebaut werden. Diese Punkte seien auch seitens der Stadt in ähnlicher Form schon angedacht gewesen. Und: „Nur unter diesen Voraussetzungen war für uns eine Zustimmung überhaupt möglich“, betont Holzbauer gegenüber der PNP. Ulrike Bogner pflichtet ihrem Kollegen bei und betont, dass man auch als Grünen-Fraktion für eine Weiterentwicklung der Stadt stehe, aber eben Einfluss nehmen wolle, wie diese letztlich umgesetzt werde. Da seien vertretbare Kompromisse notwendig und das sei am Karoli möglich. Konkrete Maßnahmen listet ein Zehn-Punkte-Plan auf, den Holzbauer und Bogner verfasst haben.
Holzbauer betont außerdem zu der nun getroffenen Entscheidung für die Ausweisung der Bauparzellen am Karoli: „Grundsätzlich schließt ‚Grüne‘ Politik Neubau nicht aus, sie will ihn jedoch möglichst nachhaltig gestalten. Bei entsprechender Umsetzung steht das Baugebiet in Sachen Artenschutz der jetzigen landwirtschaftlichen Nutzfläche am Karoli in nichts nach und ist grundsätzlich einer Bebauung vor den Toren der Stadt vorzuziehen.“
DIE ZEHN PUNKTE
Das schlägt der „Zehn-Punkte-Plan“ der Grünen vor:
•Bebauung innerhalb von max. drei Jahren
•Rückkaufsrecht der Stadt zum Ausgangpreis (bei nicht erfolgtem Baubeginn innerhalb von drei Jahren)
•Abgabe von maximal einem Grundstück pro Käufer
•Verkauf nur an Privatpersonen unter Berücksichtigung sozialer (bevorzugt z.B. Familien mit Kindern, Menschen mit Behinderung) und ökologischer Aspekte (bevorzugt z.B. Holzbauweise, Photovoltaik, Wärmepumpe)
•Erschließung der Grundstücke im Auftrag der Stadt (Stadt bleibt Eigentümer bis zum Verkauf an Privatperson)
•Grünflächen integrieren, z.B. Blühfläche als Übergang zum Wald
•Schotter- und Steingärten im Bebauungsplan ausschließen
•Begrünung überwiegend mit heimischen Gehölzen
•Für ausreichend Regenrückhaltung Sorge tragen
•Energieeffizientes Bauen fördern (z.B. zusätzliche Prämie der Stadt)
− löw/pnp
PNP-Kommentar:
Auf das Wie kommt es an
Von Doris Löw
Waldkirchen ist beliebt. Und das nicht nur bei den alteingesessenen Einwohnern, die hier seit Generationen ihre Häuser und Grundstücke haben. Sie und ihre Nachkommen schätzen es, in einer Stadt zu wohnen, die zwar inmitten der Natur direkt am Nationalpark liegt, aber dennoch vom Schul- und Versorgungsangebot über Freizeitmöglichkeiten, bis hin zum Einkaufserlebnis alles bietet.
Klar, dass das auch andere schon festgestellt haben. Auch sie wollen nach Waldkirchen, wollen hier leben, ein Haus bauen, ihre Kinder behütet aufwachsen sehen. Die Stadt wächst also. Die Einwohnerzahlen steigen schnell, die Wohnbebauung ist in den vergangenen Jahren beinahe explodiert. So positiv das ist – aber wenn solche Entwicklungen nicht gesteuert werden, dann tauchen auch Probleme auf.
Und genau mit diesen hat man es in Waldkirchen bereits zu tun: Dass die Stadt beliebt ist, dass die wenigen Baugrundstücke den Eigentümern zu teilweise sehr hohen Preisen aus den Händen gerissen werden und die Einheimischen dann auch schon mal das Nachsehen haben, das hat sich bei der Realisierung der großen Wohngebiete in jüngster Vergangenheit gezeigt. Ganz zu schweigen davon, dass immer mehr Wachstum naturgemäß auch weniger Beschaulichkeit, Ruhe und damit Lebensqualität bedeutet, wie sie gerade die Alteingesessenen kennen und schätzen.
Und doch ist Wachstum nötig und grundlegend, um die Zukunft zu sichern. Aber es kommt auf das Wie an. Und genau da sind Stadträte und Bürgermeister gefragt: Denn genau deren ebenfalls grundlegende Aufgabe ist es, das Wachstum zum Wohl der Stadt und ihrer Bürger zu steuern. Die Möglichkeit dazu haben sie – Vorgaben bei der Ausweisung von weiteren Bauflächen, eine sinnvolle und nachhaltige Auswahl bei der Lage gehören dazu. Und natürlich ebenfalls ein streitbarer Meinungsaustausch.
Genau diesen gab und gibt es auch noch nach der Entscheidung des Stadtrates für die acht geplanten Wohnbauparzellen am Karoli. Im Stadtrat war bereits vor der Entscheidung klar, dass man geeignete Maßnahmen auf den Weg bringen wird, um Grundstücksspekulanten auszubremsen, junge Familien in die Stadt zu bringen und ökologische Aspekte zu berücksichtigen. Gerade bei der überschaubaren Zahl von acht Bauparzellen: Hier könnten die Verantwortlichen ihren Bürgern nun wenigstens im Kleinen zeigen, wie man aus Fehlern der Vergangenheit gelernt hat. Der nun vorgelegte Zehn-Punkte-Plan ist eine gute Grundlage – auch für spätere Bauflächen.
Die Entscheidung für die Wohnbebauung am Karoli ist zwar bereits gefallen. Was dann aber wirklich daraus wird und ob auch die durchaus berechtigten Kritiker am Ende mit ins Boot geholt werden können, das liegt nicht zuletzt an der Ausgestaltung. Und die steht ja noch aus. Dass sich die späteren Bauherren freilich daran halten müssen – auch das gilt es im Auge zu behalten.
Quelle: Passauer Neue Presse vom 15.08.2020
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